Die ARD steht vor den größten programmtechnischen Umstrukturierungen ihrer Geschichte. Die Intendantinnen und Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen haben bei ihrer Sitzung in Köln nun konkrete Reformschritte beschlossen. Diese sollen laut Eigendarstellung die Qualität und regionale Vielfalt im Programm sichern und gleichzeitig mehr Wirtschaftlichkeit in der Produktion ermöglichen. Im Hörfunk der ARD und in den linearen TV-Programmen der ARD-Medienhäuser, den sogenannten "Dritten Programmen", werden durch gemeinsame Programmstrecken und Formate ab 2024 Ressourcen freigemacht. Diese Mittel würden für die Entwicklung und den Ausbau von digital nutzbaren Angeboten für vor allem jüngere Zielgruppen und zur Stärkung des regionalen Profils von ARD Mediathek und ARD Audiothek benötigt. Die Beschlüsse wurden vorbehaltlich einer gegebenenfalls notwendigen Zustimmung der Gremien der einzelnen Landesrundfunkanstalten gefasst.
Gemeinsame Sendungen der Info-Radios mit regionaler Vielfalt
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SWR3 gestaltet das gemeinsame Mantelprogramm für die ARD-Popwellen
Logo: SWREnde April 2024 beginnen die Info-Wellen des ARD-Hörfunk eine neue Ära vertiefter Zusammenarbeit. Regionale Inhalte und regional geprägte Perspektiven auf überregionale Themen prägen das gesamte Tagesprogramm. Daneben soll durch gemeinsame Programmanteile, die von allen ARD-Medienhäusern übernommen werden können, mehr Effizienz in der Programmherstellung erreicht werden. So wird es künftig ab 20 Uhr ein kooperiertes Abendprogramm für die Infowellen mit wechselnden thematischen Schwerpunkten geben. Dabei werden die Sendungen zum größten Teil vom NDR produziert, an wechselnden Abenden auch von rbb oder vom BR, der zudem am Samstag ein aktuelles Gemeinschaftsprogramm bereitstellt. Die verschiedenen ARD-Medienhäuser können sich zu bestimmten Zeiten aus diesem übergreifenden Programm für regionale Aktualitäten oder eigene Langformte aus- und wieder einklinken. Die schon vor Jahren eingeführte ARD Infonacht kommt weiterhin vom NDR.
Kultur-Wellen: Gemeinsame Konzerte, SWR3 Mantel für Pop-Wellen
Ziel der ARD-Reform ist mehr Wirtschaftlichkeit durch noch mehr Kooperation und Arbeitsteilung. In den Hörfunkwellen, die vor allem klassische Musik senden, geschieht das ebenfalls in den Abendsendungen zwischen 20 und 24 Uhr. Ab dem zweiten Quartal 2024 soll es einen wöchentlichen gemeinsamen Opernabend geben, drei Monate später zusätzlich zwei gemeinsame Konzertabende. Daneben wird es enge Kooperationen zwischen den Kulturwellen an zwei weiteren Abenden geben.
Mehr Zusammenarbeit soll es auch bei den Pop-Wellen geben. Die Intendanten haben vereinbart, dass SWR3 in Baden-Baden von Montag bis Freitag eine gemeinsame Abendstrecke von 21 bis 24 Uhr produziert. Sechs Pop-Wellen der ARD haben bereits angekündigt, dieses Abendprogramm zu übernehmen. SWR3 galt immer als Vorreiter und Trendsetter bei den ARD-Popwellen.
Wie bei den Infowellen sind auch hier flexible Aus- und Wiedereinstiegspunkte für regionale Informationen oder individuelle Programmangebote der ARD-Medienhäuser vorgesehen. Auf Wunsch können einzelne Sender das gemeinsame Programm auch schon ab 19 Uhr übernehmen. An Wochenenden und Feiertagen soll es ebenfalls gemeinsame Sendestrecken geben, die von SWR3 produziert werden. Auch die ARD Popnacht kommt weiterhin von SWR3. Nach dem Grundsatzbeschluss wird nun die konkrete Umsetzung ausgearbeitet. Als Sendebeginn ist jedoch erst Januar 2025 vorgesehen.
Hörspiele vor allem non-linear für die ARD Audiothek
Das Hörspiel ist eines der ältesten Radio-Genres und gehört klar zum Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zugleich ist es ein wichtiger Baustein einer erfolgreichen digitalen Transformation: Vor allem Hörspiele tragen zum Boom von Audioformaten im Netz bei - seien es künstlerisch anspruchsvolle Einzelstücke, Produktionen nach Literaturvorlagen oder seit einigen Jahren Fiction-Podcasts für jüngere Zielgruppen. In der ARD Audiothek ist beispielsweise "Kein Mucks" die mit Abstand erfolgreichste Hörspiel-Reihe. Die Retro-Krimi-Klassiker der ARD wurden in diesem Jahr bislang 3,7 Millionen mal angehört, gefolgt vom Radio Tatort.
Die ARD berücksichtigt laut eigenen Angaben mit den Beschlüssen die veränderten Nutzungsgewohnheiten und Bedürfnisse der Hörer. Das Hörspiel soll in Zukunft vor allem auf die digitale Verbreitung in der ARD Audiothek fokussiert werden. Für Nutzer bedeutet das: Hören, wann immer man möchte. Im Verbund einer ARD-weiten Gemeinschaftsredaktion Hörspiel koordinieren ab Anfang 2024 die Hörspielredaktionen der ARD Medienhäuser die Produktionen und deren Verbreitung. Ziel soll es unter anderem sein, Inhalte passgenau für unterschiedliche Zielgruppen und Ausspielwege zu entwickeln und gemeinsam zu produzieren. Dabei werde auf die bestehende Vielfalt der einzelnen Häuser und ihre unterschiedlichen Stärken gesetzt.
3. TV-Programme: Mehr Zusammenarbeit, aber kein starrer Mantel
Täglich erreichen die neun ARD-Medienhäuser mit ihren regional ausgerichteten TV-Programmen, den sogenannten "Dritten Programmen", mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschland. Wesentlich für den Erfolg dieser Programme ist ihre klare regionale Ausrichtung, vor allem bei aktuellen Informationssendungen, aber auch bei Kultur, Sport oder Unterhaltung.
Unter Wahrung dieser regionalen Vielfalt hat die ARD jetzt die Grundlage für weitreichende Kooperationen in den Dritten Programmen gelegt. In Programmbereichen, in denen Regionalität eine weniger wichtige Rolle spielt, werde künftig deutlich stärker zusammengearbeitet, ohne die Profile der Dritten zu schwächen. Daher gibt es nun doch nicht - wie ursprünglich geplant - ein zeitlich starres Mantelprogramm, sondern Pools gemeinsam produzierter Formate, die von den einzelnen Dritten flexibel und passend zu ihrem eigenen Schema eingesetzt werden können.
Konkret sollen etwa gemeinsame Reise- und Kulinarik-Formate entwickelt und die schon bestehenden Kooperationen bei Verbraucher- und Gesundheitssendungen sowie bei Dokumentationen intensiviert werden. Sofern es in einem Themenfeld ein Kompetenzcenter gibt, wie bei den Themen "Verbraucher" oder "Gesundheit", wird dieses die Herstellung der von allen nutzbaren Formate organisieren. Der Beschluss ermögliche es, im Gegenzug die Zahl der Neu- und hauseigenen Produktionen spürbar zu reduzieren und Mittel ins Digitale umzuschichten.
Darüber hinaus testen mehrere Sender im kommenden Jahr eine gemeinsame Nachmittagsstrecke sowie eine begrenzte Zahl gemeinsamer Talk-Shows. Erste programmtechnische Veränderungen werden bereits im kommenden Jahr im Programm sichtbar. Die weiteren folgen 2025. Die Mittel, die durch die Kooperationen und gemeinsamen Sendungen in den Dritten freigesetzt werden, werden eingesetzt, um etwa attraktive digitale und regionale Streaming-Formate für die ARD Mediathek für ein jüngeres Publikum zu produzieren.
Quelle: Teltarif.de / Michael Fuhr
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